WAHLKAMPF 2017 – WIE IMMER?

„Trump – der ist ein Geschenk des Himmels“ (Thomas Oppermann)

Natürlich ist das Zitat frei erfunden. Ob es schlecht erfunden ist, wird sich zeigen.

Wir haben eine neue Lage – welche eigentlich?

Trump und sein Kabinett sind nicht weniger neoliberal als es Clinton gewesen wäre, mindestens im Verein mit der republikanischen Partei. Er denkt auch nicht weniger geostrategisch, hat nur vielleicht eine etwas andere geostrategische Agenda. Er ist auch – im Gegensatz zu seinem Wahlkampfgetöse – nicht weniger Wall-Street-freundlich, sondern holt sich deren Vertreter gleich direkt ins Kabinett. Nationale Interessen („America first“) sind auch für andere das Wichtigste, man denke nur an Schäubles Politik gegen Griechenland: Sie dient vor allem der deutschen Exportindustrie und den Banken, die die Finanzierung dazu machen. Und der besondere Aufreger: Die Mauer an der mexikanischen Grenze – ist sie humaner als die „Mauer“ im Mittelmeer?

Woher kommt dann die anscheinend echte Wut der anderen, bis hin zu Schäuble?

Ich riskiere eine steile These: Es sind nicht die politischen Inhalte, noch nicht einmal der polternde Stil und die in der Tat an faschistische Modelle anklingende Anmaßung im Namen des (US-amerikanischen) Volkes fast absolute Macht auszuüben, wenn es sein muss, auch gegen demokratische Institutionen wie die Justiz. Die Motive Volk, Reich, Führer klangen bei seiner Antrittsrede deutlich an; natürlich in anderen Worten.

Wenn all das nicht der tiefere Grund für Wut und laut vorgetragene Verachtung ist, bleibt vielleicht als mögliche Antwort: Wenn ein Ölmanager Außenminister wird, wenn der Staat insgesamt  als Konzern geführt wird, braucht es die Kaste der Politiker nicht mehr. Das Personal wird entlassen. Klar, dass diese Leute wütend sind, auch dort, wo sie bis auf Weiteres nicht betroffen sind, wie in Deutschland. In Europa, besonders in der BRD, war es wesentlich, dass die politische Klasse zwischen der Macht und den BürgerInnen vermittelt und so Demokratie glaubhaft macht. Hermann Josef Abs, ein Mann  mit einer klaren NS-Geschichte und einer starken Rolle bei der Deutschen Bank in der Nachkriegszeit, soll auf die Frage, warum er nicht selbst als Bundeskanzler kandidiere, (sinngemäß) gesagt haben: „Wir haben da doch den Herrn Adenauer.“ Der könnte jetzt arbeitslos werden, mit allen persönlichen, aber schon auch politischen Folgen.

Trumps Nützlichkeit

„Trump“ wird zum Schimpfwort für alles undemokratische, „rechtspopulistische“ Gehabe. Das ermöglicht die Distanzierung und damit ist die Frage nach den Inhalten seiner Politik schon weg. Es bleibt die Folie, auf die sich alles, was „wir“ nicht sind, projizieren lässt. „Wir“ sind natürlich CDU/CSU,SPD GRÜNE, FDP (in einem Jahr vielleicht auch DIE LINKE). Die „Andern“ sind natürlich die AfD und die ganz extrem Rechten, sowie andere, und zwar gerade politisch links stehende Menschen  – damit die Symmetrie stimmt. „Wir“ müssen also zusammenstehen, gerade im Wahljahr, „wir“, die „demokratischen Parteien“. Und welche Politik die Politiker dann machen, braucht dann ja auch nicht mehr diskutiert zu werden.

Wir sind in einem Wahljahr

Da gibt es zwei wichtige Probleme. Da ist das Erstarken der politischen Rechten. Und da sind die unberechenbaren Nichtwähler. Sie einfach aufzufordern, doch ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen und wählen zu gehen, ist problematisch. Bei den Landtagswahlen des vergangenen Jahres haben sie es getan – und AfD gewählt.

Das Paradox

Die Botschaft ist: Die etablierten größeren Parteien (außer AfD) stehen gemeinsam für „Demokratie“, d.h. man soll nur eine von ihnen wählen.

Gleichzeitig ist Wahlkampf und da sollen sich die Parteien klar unterscheiden.

Maximaler Unterschied bei maximaler Übereinstimmung ist gefordert.

Die Lösung für die Politik

  1. Schritt: Schulz wird durch einen erstaunlichen Hype stark gemacht; er stehe für eine neue SPD, für neue Chancen, habe eine für SPD-Kandidaten völlig neue Popularität. Seine bisherige Politik spielt keine Rolle. Ein bisschen Reform der SPD beginnt er nun zu versprechen, aber mehr doch nicht!
  2. Schritt: Nun haben wir wieder zwei politische Blöcke, die alten, mit dem Kern CDU bzw. SPD.

Will sagen: Vergesst die AfD (die Linke sowieso).

  1. Schritt: Die vorgespielte Alternative zwischen den Großen Zwei vernebelt das politische Denken. Keiner redet mehr über die Mängel der Demokratie, wie sie praktiziert wird. Genau hier liegen wichtige Gründe dafür, dass sich viele Menschen von den PolitikerInnen nicht mehr vertreten, ja wahrgenommen fühlen („die machen ja eh, was sie wollen“ ist ein Satz, der schon lange zu hören ist). Die wählen daher jene Parteien auch nicht; eher glauben sie, dass ein Milliardär sie versteht und achtet.

So erscheint die Wahl weitgehend als eine zwischen den großen Parteien. Jeder Zweifel daran wird abgewiesen mit Sätzen, die beginnen mit: „Aber in der jetzigen Situation muss man doch …“ oder „das Wichtigste ist, Merkel muss weg.“

Mir liegt kein internes Strategiepapier einer der Parteien vor, noch sonst ein Beleg für diese These.  Vielleicht gibt es auch gar kein Papier dieses Inhalts. Man kann die These nur dadurch überprüfen, dass man überlegt, ob sie erklärt, was passiert. Wäre dieses Programm nicht viel weniger einleuchtend ohne Trump und demnächst vielleicht Le Pen?

Wer Demokratie verbessern und erweitern will, kratzt sich am Kopf …

Plötzlich sieht man sich wieder in der Situation, das Kleinere Übel wählen zu sollen, weil doch die Gefahr von rechts droht. Stimmt, die Gefahr ist real.

Und um sie abzuwehren, unterstützen wir diejenigen, die die viel beklagte „Krise der Demokratie“ mit verursacht haben? Wir unterstützen eine schlechte Demokratie, weil eine droht, die gar keine mehr wäre? Wir vergessen, was wir doch wissen: Die sogen. Politikverdrossenheit ist eher eine Verdrossenheit über einen Typus PolitikerIn, der die Situation der Menschen nicht wahr haben will, ihre Interessen missachtet und eine Partizipation, die mehr ist als angehört und dann ignoriert zu werden, überhaupt nicht will. Auch und gerade dann, wenn von „Bürgerbeteiligung“ geredet wird.

… und kommt zu einem Ergebnis

Natürlich lebt es sich unserer Demokratie, so, wie sie ist, immer noch viel besser als z.B. in der Türkei, wo es keine mehr gibt, oder in Syrien, wo Krieg ist. Jetzt z.B. über Parteienfinanzierung und  Lobbyismus zu diskutieren kann wirken wie eine Diskussion über eine All-Gender-Toilette auf der Titanic – nach der Kollision mit dem Eisberg (Peter Unfried, taz v. 11./12.2.17). Eine Scheindebatte über Merkel und Schulz ist wie eine über Golf Diesel und Polo Diesel (Unfried, ebd.).

Engagement für Frieden, Pressefreiheit oder das Ende der Atompolitik ist bitter notwendig. Alle, die dort aktiv sind, haben die Watte- oder Betonwände erlebt, hinter denen sich die verschanzen, die nach den geltenden Regeln demokratisch gewählt sind und die Mandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr erteilen und Jahr für Jahr verlängern – usw. Engagement für Frieden u.v.a.m. ist keine Alternative zum Engagement für Demokratisierung der Demokratie, sondern hier zeigt sich: Wo immer man kratzt, kommt das Demokratieproblem zum Vorschein.

Schlechte Demokratie kann nur besser werden, wenn wir uns für eine bessere einsetzen.

Parteien und KandidatInnen, die die Rechte bekämpfen wollen (und ihnen nicht nur die Stimmen wegnehmen), müssen glaubhaft  machen, dass sie die Demokratie besser machen wollen, indem die Beseitigung ihrer Mängel, wie sie z.B. im Vaihinger Manifest (www.vaihinger-manifest.de) beschrieben werden, energisch in Angriff genommen wird.

Die Partei, die hier nicht glaubhaft ist, braucht unsere Stimme nicht; sie würde ja nichts besser machen.

Dann bleibt für den/die WählerIn nur: den Protest deutlich werden zu lassen.

Durch offen deklarierten Wahlboykott, durch Wahl von Parteien oder KandidatInnen, die dieses Spiel durchschaut haben und nur kandidieren, um es offen zu legen, oder Wahl von Parteien, die an mindestens einem Punkt zentrale Forderungen der Demokratisierung aufgreifen.

Mit Begründungen aus ihrem jeweiligen Erfahrungsbereich. In einem Bündnis all derer, die für ihre Ziele demokratische Chancen der Durchsetzung fordern.

Konrad Nestle

Werbung

3 Kommentare zu „WAHLKAMPF 2017 – WIE IMMER?

  1. Hallo Konrad,
    Einige deiner Urteile, sofern ich sie richtig verstanden habe, teile ich. So z.B., dass Trump und auch die AfD dazu benützt werden, die Menschen zur Wahl zu bringen, ohne sich die zu wählenden Parteien genauer anzuschauen. Man ist sich darüber einig, dass die AfD (für Rechte bzw. Konservative auch die Linke) zu den Bösen gehört und nicht wählbar ist. Demzufolge „müssen“ doch die Bürger irgendjemand der etablierten Parteien wählen, denn das sind ja über alle Gegensätze hinweg die Gutn. Vergessen ist, dass die CSU schon immer dafür gekämpft hat, dass rechts von ihr, der CSU, es keine Parteien geben dürfte. Danach hat sie auch ihre Politik ausgerichtet, die sich in früheren Jahren im Wesentlichen nicht von der der AfD unterschied und in vielen Dingen auch heute noch nicht. Ich erinnere mich daran, dass man, was Ausschluss betrifft, vor einigen Jahrzehnten die Grünen nicht viel anders behandelt hat und die Linke wird partiell noch heute vom Verfassungsschutz beobachtet. Das ist einfach die andere Seite dessen, was du vom Weg dieser neuen Parteien als Kritik der Etablierten zu Parteien mit der gleichen Staatsraison „gereift“ sind. Auch die Linken sind auf einem guten Wege dahin (würde einige gutmeinende Politiker sagen).
    Selbst das Urteil, dass die Demokratie in einer „Krise“ ist, würde ich nicht ganz ablehnen. Nur dass der Grund dafür ein „Typus PolitikerIn“ sein soll, „der die Situation der Menschen nicht wahrhaben will, ihre Interessen missachtet und eine Partizipation,……, gar nicht will“, da denke ich, du legst den Grund für diese „Krise“ der Demokratie in den Charakter der sie ausführenden Politikerinnen und da meine ich, das ist zu kurz gegriffen. Mag ja sein, dass diese Leute einen schlechten Charakter haben, aber dass genau diese Leute an die Schaltstellen der Macht kommen, wäre dann doch noch zu klären. Sie haben auf jeden Fall eine erkleckliche Menge an ähnlich denkenden Menschen und damit auch an Wählern hinter sich. Die Mengen an Menschen würde man sich hinter gerne hinter vernünftigen Argumenten wünschen. Ich denke, dass diese von dir genannte Krise ihren Ursprung in der Demokratie selber hat, die zwar auf Zustimmung setzt, allerdings von dieser Zustimmung nichts abhängig macht. Als Belege dafür sollen gelten die Gesetze, die sie erlässt und auf Befolgung besteht (Kriminalisierung von politischem Widerstand) bis hin zur demokratisch legitimierten Abschaffung ihrer selbst in Form der Notstandsgesetze.
    Zustimmen würde ich dir deshalb in deinem letzten Satz: „Die Partei, die ..nicht glaubhaft ist, braucht unsere Stimme nicht. Sie würde ja nichts besser machen.“

    1. Lieber Hans-Martin,
      erst jetzt lese ich deinen damaligen Kommentar. Das tut mir leid, denn so stelle ich mir Diskussion auf der hp vor.
      Zur CSU: Ich bin vollkommen einverstanden.
      „Typus PolitikerIn“ ist in der Tat vage. Der Begriff schließt „Charakter“ schon ein, doch so war er nicht gemeint. Der Eindruck, dass Politiker nicht das im Sinn haben, was sie laut propagieren, sondern im Interesse und evtl. Auftrag von Personen(gruppen) handeln, die schwer zu benennen sind, ist naheliegend. Sonst müssten sie nicht so oft über Sinn und Wirkung von Vorhaben wie TTIP, S 21, Autobahn- und Bildungsprivatisiereung (mindestens) Irreführendes verlauten lassen
      Konrad

      1. Politiker sind halt solche, die den Willen zur Macht und zur „Gestaltung“ haben, d.h. sie wollen auch wieder gewählt werden. Nun gibt es halt, so denke ich, einige unpopuläre, aber für ihren Realitätssinn und ihre Auffassung von Politik notwendige Entscheidungen zu treffen. Die versuchen sie, dem Wahlvolk mundgerecht (das was sie hören wollen) zu präsentieren. Ich hab das mal mit einem Sozi, dem Herrn Rainer Arnold durchexerziert, der beim Militäreinsatz in Afghanistan zuerst von Hilfe für Frauen und Mädchen gesprochen hatte, und dann durch Nachbohren als Begründung „deutsche Interessen“ angegeben. Deshalb werden auch unpopuläre Entscheidungen zu Beginn der Legislaturperiode getroffen, und vor der Wahl doch Entscheidungen getroffen bzw. Versprechungen gemacht, die zumindest etwas propagandistisch für die Wahl zu gebrauchen sind.
        Ob diese Politiker und wie sie dabei, ich würde diese etwas anders formulieren als du, besondere Interessen eher berücksichtigen als die von anderen, von diesen abhängig sind oder umgekehrt, das wäre, denke ich ein eigenes Thema. Etwas holzschnittartig formuliert würde ich so sagen, dass die eine Gruppe, die die Eigentum entweder in Produktionsmitteln oder Geld haben, aus staatseigenem Interesse eher gefördert werden, weil von ihnen die Produktivkraft und ökonomische Stärke und nicht zuletzt das Fließen der Steuern abhängt. Die andere Gruppe, so die normal arbeitenden Menschen, eben für diese Vorhaben Kosten darstellen und deshalb „optimiert“, also diese Kosten eher minimiert werden. Zu sehen ist das an der minimalistischen Ausstattung mit Recourcen im Sozialbereich, ja im Moment sogar in der Bildung,den Schulen, aber auch an der Einrichtung eines nicht so kleinen Niedriglohnsektors durch die Agenda 2010 bzw. den Hartz-Gesetzen.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s